Ein Blick zurück in die Lokal-Geschichte zeigt uns: Im ausgehenden 18. Jahrhundert wurde das Leben in Moers – wie im gesamten damaligen Preußen – geprägt durch die von Friedrich d. Großen repräsentierte Politik der Stärkung des Staates und der ihn tragenden Kräfte Adel und Militär. Auf der anderen Seite hatten die freiheitlichen Entwicklungen in Frankreich auch ihre Auswirkungen in Preußen, vor allem im Rheinland. So entstanden die ersten bürgerlichen Vereinigungen, die sich nach französischem Vorbild Lesekreise (Societé literaire) nannten, in denen die geistige Freiheit gestärkt werden sollte als Willensbekundung gegen das autoritäre Preußen. Im Rahmen dieser Bewegung gründeten bereits im Jahre 1781 zwölf Bürger und Beamte in Moers die Gesellschaft Sozietät, die damit heute die mit Abstand älteste Vereinigung dieser Art am Niederrhein ist.

Obwohl das Gebäude am Kastell 1 auch als Haus der Sozietät bekannt ist, wissen nur wenige, wofür dieser Name steht. Um nicht mit Anwalts-Kanzleien (Sozietäten) verwechselt zu werden, wurde der Begriff „Gesellschaft“ in den Namen aufgenommen. Ziel der Gründer war es von Anfang an, Begegnungen von Menschen zu ermöglichen, die in einer persönlichen und offenen Atmosphäre Freude an Gesprächen, kulturellen Veranstaltungen, Vorträgen, Ausflügen sowie Festen und Feiern haben. Treffpunkt der Begegnungen war zunächst die hintere Stube im Nournay-Haus (jetziger Häuserblock Ecke Stein- und Klosterstraße). Bereits sieben Jahre später baute die Gesellschaft Sozietät ihr eigenes Gebäude: Aus dem alten Stadt-Holz-Hof, einem nüchternen Magazinschuppen an der Ecke Haagstraße und Tränke, wurde ein stattliches erstes Gesellschaftshaus. 1836 erwarb die Sozietät, finanziert durch die Mitglieder, schließlich das Gelände Ecke Kastell und Haagstraße. Dies war zunächst nur ein Garten, in dem ein Sommerhaus und eine Kegelbahn errichtet wurden. 1880 wurde pünktlich zur 100 Jahrfeier im Garten ein Saal fertig gestellt, der die Grundlage zu einem Neubau legte. Ihre neue Heimat weihte die Gesellschaft Sozietät schließlich im Jahre 1926 ein, als der Bau an seiner nördlichen Seite erweitert wurde und im Obergeschoss ein größerer Versammlungsraum entstand. Nach der 200 Jahrfeier wurde 1982 die Entscheidung getroffen, das Sozietäts-Gebäude bis auf die Außenfassade komplett zu erneuern und zusätzliche Räumlichkeiten für eine Gastronomie und Dienstleistungsbüros zu schaffen. Ausgezeichnet wurde diese Arbeit im Jahre 2000, als das historische Gebäude den Fassadenwettbewerb der Stadt Moers gewann. Aktuell werden der Fiddler’s Irish Pub und eine Anwaltskanzlei als Mieter beherbergt. Den Mitgliedern stehen neben dem Festsaal ein Clubraum und eine eigene Kegelbahn zur Verfügung.

Die derzeit über 80 Mitglieder repräsentieren mit ihrer Berufsvielfalt das gesellschaftliche und soziale Leben der Moerser Bürgerschaft und anderer näherer Orte am Niederrhein. Der ursprünglich als „Männergesellschaft“ gegründeten Sozietät gehören heute auch zahlreiche Damen an. Das Lebensalter und die Lebenserfahrung der MitgliederInnen und ihrer Familien umfasst heute fast vier Generationen. Somit ist ein ständiger Erfahrungsaustausch der älteren und betagten MitgliederInnen mit den jungen und umgekehrt sehr fruchtbar.

Es ist sicherlich der Vielfalt ihrer Interessen und der Arbeit des jeweils sechsköpfigen Vorstandes, koordiniert durch den ersten Vorsitzenden, zu verdanken, dass die Gesellschaft Sozietät sich kontinuierlich entwickelt hat und im Jahr 2011 auf eine derart lange Tradition zurück blicken konnte. Einen entscheidenden Anteil hat daran sicherlich auch die Offenheit für die jeweiligen neuen Trends, aktuellen Themen und Entwicklungen, denen man sich in den bisher 230 Jahren immer gewidmet hat.

Die Gesellschaft Sozietät ist geprägt von Kreativität, Engagement und Lebensfreude ihrer MitgliederInnen, dabei überparteilich und nicht konfessionell gebunden. Im Blick hat sie stets das Leben am Niederrhein; dem Nachwuchs, der Jugend und damit der Zukunft verpflichtet. Aus Anlass des 230. Stiftungsfestes übernahm die Gesellschaft Sozietät daher in jenem Jahr für die Moerser Musikschule die Kosten der Förderung eines Holzbläser-Quintetts.

 

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